Das Gesamtprojekt – genetische Forschungsstudien in Finnland
Im Herbst 2006 wurde an der Universität Helsinki in Finnland eine umfangreiche genetische Forschungsstudie gestartet. Das Gesamtziel ist es, den genetischen Hintergrund der humanen Erbkrankheiten besser zu verstehen, und mit den Symptomen in Relation zu setzen. Dadurch werden die Diagnose, Behandlungsmöglichkeiten und Therapien optimierbar. Die Erforschung von Erbkrankheiten in Hunden eröffnet die Möglichkeit, komplexe Erbgänge auf zu schlüsseln. Beim Menschen ist dieses wesentlich komplizierter, weil nicht viele Generationen parallel existieren und die Anzahl der Nachkommen geringer ist. Schwerpunkte der humanen Forschung sind Epilepsie, Autoimmunerkrankungen, Krebs, Sehstörungen und anderen neurologischen Erkrankungen.
Der evolutionäre Hintergrund
Die große Anzahl der Erbkrankheiten in Rassehunden erklärt sich durch die Innzucht des Hundes zur Entstehung der einzelnen reinen Rassen. Dadurch treten rezessive Allele hervor. Jede Hunderasse ist ein Resultat aus Innzucht gemeinsamer Vorfahren im Hinblick auf bestimmte Rassemerkmale (= gleiche Gene). Jede einzelne Hunderasse bildet einen isolierten Genpool, in den keine neuen Gene mehr einfließen. Mehr als 60% der genetisch bedingten Krankheiten bei Hunden sind identisch mit denen des Menschen. Hunde sind dem Menschen näher verwandt als Mäuse. Deshalb können Hunde als Modelle dienen, die Erbkrankheiten der Menschen besser zu verstehen und effektivere und nebenwirkungsfreiere Therapien zu entwickeln.
Warum eigentlich ausgerechnet Finnland?
Finnland ist ein Land mit einer außergewöhnlichen Population, einem kleinen und engen Genpool.
Dieses macht die Finnen zur idealen Rasse für die genetische Forschung. Finnland ist das weltweit führende Land bzgl. Rassehunde. 95% aller reinrassigen Hunde sind registriert, es existiert eine öffentlich zugängliche Online-Datenbank der Zuchtbücher. Via Mausklick ist für jedermann der freie Zugang zu allen Ahnentafeln aller Rassen möglich (über viele Generationen zurück gehend). Zudem sind die Rasseklubs gut und unbürokratisch organisiert, und in der Gesamtbevölkerung herrscht großes Verständnis für genetische Forschung. Aus diesen Gründen wurde das Gesamtprojekt im Land der hunderttausend Seen gestartet.
Studienleiter
Prof. Dr. Leena Palotie ist eine international anerkannte Wissenschaftlerin der Genetik und leitet die Forschung an der Universität Helsinki, Finnland, Biomedicum Institut. Sie ist Gründerin des Genetischen Forschungszentrum an der Universität von Kalifornien und leitet das EU Genom Forschungsprojekt GENOMEUTWIN. Prof. Dr. Leena Palotie weißt über 400 wissenschaftliche Veröffentlichungen auf und wurde an die U.S. Nationale Akademie der Wissenschaften eingeladen. Sie hat mehrere wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten. Die soeben angelaufene Forschungsstudie in Rassehunden wird von dem finnischen Genetiker Dr. Hannes Lohi geleitet. Dr. Lohi ist Leiter des Hunde-Epilepsie-Konsortiums in Europa und kooperiert weltweit mit Forschungsinstituten, die genetische Forschungsstudien bei Hunden durchführen. Er hat mit mehr als 50 finnischen Rasseklubs Forschungsprojekte in verschiedenen Hunderassen gestartet. Es wurden Blut und Ahnentafeln gesammelt (> 6000 Blutproben) in Bezug auf verschiedene Erbkrankheiten wie Epilepsie, Autoimmunerkrankungen, Krebs, Sehstörungen und anderen neurologischen Erkrankungen.
Unterstützt wird das Gesamtprojekt durch: die Akademie Finnland, Universität Helsinki, das Biozentrum Helsinki, das Folkhälsan Forschungsinstitut, die Sigrid Juselius Stiftung, Finnische Rassehundeklubs, PeSaTu (Spenden sammelnde Stiftung, Gründer: Verband finnischer Veterinärmediziner, Verband finnischer Hundezüchter, Finnische Nova Scotia Retriever Vereinigung, The Great Pyrenees und The Pyrenean Shepherds Association und Shetland Oy). Forschungsgelder wurden soeben auch bei der EU beantragt.
Epilepsie bei Hunden
1% der Menschheit ist von Epilepsie betroffen. Die meisten Formen der humanen Epilepsie sind polygene Störungen. Epilepsie tritt 5 – 10-mal häufiger bei Hunden auf als bei Menschen. Nur einige Epilepsiegene des Menschen sind identifiziert worden, einige Dutzend zur vollständigen Klärung der Krankheit werden noch benötigt. Der hohe Anteil an Epilepsie in den verschiedensten Hunderassen bietet eine hervorragende Möglichkeit, mehr Gene zu identifizieren. Ein identifizierter Genlokus kann direkt im Menschen getestet werden. Diese Art der Forschung ermöglicht sowohl der Humanmedizin als auch der Hundezucht einen Fortschritt in der Gesunderhaltung in Bezug auf Epilepsie und andere gemeinsame Erbkrankheiten. Dr. Lohi hat bewiesen, dass dieses Model funktioniert. Er hat am Kinderkrankenhaus von Toronto (Kanada) ein Forschungsteam angeführt, welches die verantwortlichen Gene der fatalen Form der Lafora-Krankheit (Epilepsie in Teenagern) untersucht und entschlüsselt hat. Epilepsie, ein abnormaler Zustand des Nervensystems, tritt bei Hunden häufiger auf als bei Menschen. Diese Forschung führte zu dem Ergebnis: Epilepsie der Zwerg-Rauhaardackel, = Lafora Erkrankung des Menschen. (Die Ergebnisse wurden im Science Magazine im Januar 2005 publiziert). Mehr als 5 % der Hunde dieser Rasse sind von Epilepsie betroffen. Der Grund dieser Form von Epilepsie liegt in einer Wiederholung der Mutation im Gen Epm2b (Chromosom 35). An Hand der Hunde konnte das Forschungsteam diese Gene identifizieren, welche für diese Krankheit verantwortlich sind. Momentan wird eine Behandlungsmethode basierend auf diesen Forschungsergebnissen entwickelt. Ein Gentest steht bereits zur Verfügung.
Epilepsie bei Dalmatiner-Hunden
Dr. Lohi kooperiert u.a. mit der Universität Missouri (USA), welche DNA Proben und Daten von Hunden aus den USA zur Verfügung stellt. Von dort erhält Dr. Lohi Zugang zu DNA-Proben und Daten von Dalmatinern, die mit idiopatischer Epilepsie diagnostiziert wurden. Einige finnische Dalmatinerbesitzer/Züchter sind den vielfachen offiziellen Aufrufen in finnischen Medien gefolgt und haben Blut von ihren erkrankten Hunden an Dr. Hannes Lohi geschickt bzw. ihn über ihre Fälle von Epilepsie informiert. An Hand der vorliegenden Ahnentafel-Daten aus den USA und aus Finnland sieht es so aus, „als basiere die Epilepsie in Dalmatinern auf einem einfachen genetischen Hintergrund. Es besteht die Möglichkeit, dass es sich nur um ein rezessives Gen oder um zwei dominante Gene handelt und diese sollten einfach auffindbar sein“. Bisher sind keine guten klinischen Studien in Dalmatinern durchgeführt worden, d.h. es gibt bis dato keine aussagekräftigen Daten wie sich Epilepsie bei Dalmatinern äussert, wann sie auftritt oder wie sie vererbt wird. Nach den Aussagen von Dalmatinerbesitzern in Finnland und in den USA kann man jedoch entnehmen, dass „der Zeitpunkt der Erkrankung sehr stark variiert und sich von dem in anderen Rassen deutlich unterscheidet. Dalmatiner können in einer Zeitspanne von 14 Wochen bis hin zu 8 Jahren an idiopatischer Epilepsie erkranken. Züchter können sich nicht auf den Zeitpunkt der Erkrankung verlassen, um darauf hin auf die Ursache der Epilepsie schließen zu können. Kein Züchter kann sich sicher sein, ob er mit einem Träger züchtet oder nicht. Es ist vorgekommen, dass Hunde erkrankten, lange nachdem ihre Nachkommen bereits in der Zucht verwendet wurden. Auf diese Art und Weise ist es möglich, dass schlechte Gene über 3 oder mehr Generationen unbemerkt weiter gereicht werden. Sollten wir jetzt noch mehr Proben bekommen, dann glaube ich, dass wir wirklich das Dalmatiner-Epilepsie-Gen, oder die Dalmatiner-Epilepsie-Gene identifizieren und einen Gentest entwickeln können. So könnten wir diese Krankheit in dieser Rasse auslöschen. Das erste Mal in der Geschichte der Genetik stehen uns die technischen Methoden zur Verfügung, solche Projekte in Hunderassen durchzuführen.“(Hannes Lohi, Helsinki, 21.3.2007)
Festgestellt wurde zudem, dass idiopatische Epilepsie auch in Outcross-Verpaarungen von geografisch getrennten Linien auftritt. Sowohl Hündinnen als auch Rüden sind an idiopatischer Epilepsie erkrankt. Die Anzahl der erkrankten Hunde aus einem Wurf liegt bei einem (Wurf < 8 Welpen) oder bei zweien (Wurf > 10 Welpen). Alle finnischen und amerikanischen Dalmatiner, die in dieser Studie eingebunden sind, wurden via der Ausschlussmethode mit idiopatischer Epilepsie diagnostiziert. D.h. es wurden sämtliche klinische Untersuchungen durchgeführt, welche andere Ursachen für die Epilepsie ausschließen. Die Methode, die diese Genlokalisierung überhaupt erst ermöglicht, steht der Wissenschaft erst seit kurzem zur Verfügung (ca. seit 2 Jahren). Dadurch ergibt sich, dass einige vorhergegangene Anläufe zur Identifikation von Hundegenen fehlgeschlagen sind. Genetische Studien wie z.B. zur kongenitalen sensorineuralen Taubheit beim Dalmatiner, oder die umfassende Epilepsie Studie des Amerikanischen Hundezuchtverbandes mussten auf Grund der damals nicht vorhandenen technischen Möglichkeiten erfolglos eingestellt werden.
Ablauf der Studie
Die Verwandtschaft erkrankter Hunde, die Anzahl der erkrankten Hunde innerhalb eines Wurfes, sowie die Verwandtschaft ihrer entfernten Vorfahren helfen Hannes, die Art und Weise des Erbganges besser abschätzen zu können, und um wie viele Gene es sich handelt und wie sie weitergereicht werden. Deshalb werden Ahnentafeln von jeder eingesendeten Blutprobe benötigt. Die Gen-Lokalisierung wir mit der Technologie der neuen Hunde DNA SNPchip arrays durchgeführt. Es müssen mindestens 50 DNA Proben von gesunden und 50 DNA Proben von erkrankten Hunden untersucht und verglichen werden. Ist das Gen einmal entdeckt, so wird Dr.Lohi an Hand der Ahnentafeln potentielle Träger testen. Somit ist das Ahnentafelnetzwerk ein unerlässliches Werkzeug zur Entwicklung eines Gentestes. Die Besitzer dieser potentiellen Träger-Hunde werden über dieses Ergebnis von Dr. Lohi persönlich informiert. Jeder Besitzer eines an Epilepsie erkrankten Dalmatiners wird gebeten, einen Fragebogen auszufüllen, welche folgende Themen beinhaltet: Allgemeine Informationen zum Hund (Alter, Geschlecht, Verwandte mit diagnostizierter Epilepsie etc.), allgemeine Fragen zur Epilepsie (Zeitpunkt der Erkrankung, erkrankte Verwandte etc.), Fragen zu den Anfällen an sich (Phasen vor, während und nach den Anfällen), Fragen zu durchgeführten klinischen Untersuchungen und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Hundes, sowie Fragen zur medikamentösen Behandlung und den Lebensumständen. Die Krankheitsbilder der einzelnen Hunde werden in Bezug gesetzt zum genetischen Hintergrund. So kann die Therapie optimiert werden. Die Epilepsie-Gene der einzelnen Hunderassen werden miteinander verglichen. Einige Krankheits-Gene sind rasseübergreifend, andere rassespezifisch. Alle entschlüsselten Epilepsie-Gene sämtlicher Hunderassen werden mit dem Erbgut des Menschen verglichen. An dieser Stelle übernimmt Prof. Dr. Leena Palotie die Leitung.
Eine optimale Chance
Kein Rasseklub kann eine unabhängige genetische Forschungsstudie selbstständig finanzieren, da alleine die Materialkosten einer solchen Studie enorm sind (1Chip pro DNA = min. 100 Chips. 1 Chip kostet 300 Euro). Da jede „Unterstudie“ des Gesamtprojektes die humane Forschung unterstützt, welche von versch. Institutionen finanziell unterstützt wird, reduzieren sich die Kosten gewaltig. Ein weiterer nicht unerheblicher Aspekt ist, dass durch das Vergleichen der Krankheitsverläufe mit dem genetischen Hintergrund die versch. Erscheinungsformen der idiopatischen Epilepsie besser verstanden werden und somit die Behandlungsmethoden/medikamentöse Behandlung optimiert werden können. Nicht vergessen darf man, dass somit auch der Menschheit geholfen wird, ihre Erbkrankheiten zu reduzieren und besser behandeln zu können. Die Studie der idiopatischen Epilepsie in Dalmatinerhunden ist bedeutend nicht nur für finnische oder amerikanische Dalmatiner, sondern für die Gesamtheit der Rasse. Die Ergebnisse dieser Studie helfen auch der gesamten Menschheit, ihre Erbkrankheiten zu bekämpfen, besser zu behandeln und gar in Zukunft vermeiden zu können. Es ist wichtig, sich vom Eigeninteresse zu lösen und zu versuchen, den gesamten Umfang und die gesamte Bedeutung dieser Gesamtstudie und jeder ihrer Einzelprojekte bewusst zu machen.
Wie Sie helfen können
Um das Gen (die Gene) lokalisieren zu können, benötigt das Forschungsteam weitere Blutproben von Dalmatinern, die mit idiopatischer Epilepsie diagnostiziert wurden, inklusive Blut von Wurfgeschwistern , welche nicht erkrankt sind, und beider Eltern. Die Anzahl der finnischen Dalmatiner ist zu gering (ca. 2000 lebende Dalmatiner), um genügend Proben und Daten zu erhalten. Aus diesem Grund wurde das Projekt zur idiopatischen Epilepsie bei Dalmatiner-Hunden auf der ECDC Sitzung in Zagreb vorgestellt und eine Internetseite entwickelt. Jede Unterstützung aus anderen europäischen Ländern ist wichtig, um diese Studie durchführen zu können. Jeder kann das Projekt unterstützen, unabhängig vom Rasseklub und anonym. Blutproben und andere Daten (verstorbene Fälle, Krankheitsberichte etc.) können direkt an das Forschungsteam von Dr. Lohi an die Universität Helsinki geschickt werden. Das Forschungsteam gewährleistet natürlich die Geheimhaltung aller Daten. Alle Züchter haben die Möglichkeit, auf direktem Wege Hannes Lohi über ihre eigenen Epilepsie-Fälle zu informieren, und Blutproben von lebenden erkrankten Hunden (inkl. Blut der Geschwister und Eltern) mitsamt der Ahnentafel direkt and das Forschungsteam von Dr. Lohi an der Universität Helsinki zu senden. Je mehr Fälle Dr. Lohi betrachtet, desto zuverlässiger die Aussagen über den Vererbungsweg. Informieren Sie Dr. Lohi bitte deshalb auch über alte Fälle (=verstorbene Hunde). Kein Klub und keine Person außerhalb des Forschungsteams wird Informationen erhalten, welche Hunde und welche Zuchtstätten involviert sind! Alle Informationen dienen ausschließlich dem Zweck, dem Forschungsteam Einblicke in den Erbgang der Epilepsie in unserer Rasse zu geben, damit der genetische Hintergrund dieser grausamen Krankheit verstanden werden kann und die Krankheit selber durch einen einfachen Gentest vermeidbar wird. Es steht absolut außer Frage, dass diese Daten missbraucht werden, um Vermutungen über Zuchtstätten oder einzelne Hunde an zu stellen, welche der Gegenwart oder sogar der Vergangenheit angehören. Es ist wichtig, nach Vorne zu schauen und die Möglichkeit zu nutzen, Züchtern das unerlässliche Hilfsmittel zu geben, Epilepsie bei Dalmatinern in Zukunft verhindern zu können, ohne auf Vermutungen angewiesen zu sein.
Finanzielle Unterstützung
Wenn Sie die Forschung unterstützen möchten, so haben Sie die Möglichkeit, eine einmalige Geldspende an die Stiftung PeSaTu zu tätigen, oder der Stiftung durch einen jährlichen Mitgliedsbeitrag beizutreten. Die Stiftung zur Unterstützung der Erforschung von Erbkrankheiten, PeSaTu ry, ist eine nicht-gewerbliche, zu Spenden aufrufende Stiftung, welche gegründet wurde, um genetische Forschungsstudien bzgl. der Erbkrankheiten in Rassehunden zu finanzieren, zu betreuen und zu unterstützen.
Weitersagen ist erwünscht!
Bitte leiten Sie diese Info bitte an solche Personen weiter, welche bereit sind zu helfen, welche in der Lage sind zu helfen, und an Personen, die etwas bewirken können. Informieren sie die Besitzer von Dalmatinern, die an idiopatischer Epilepsie erkrankt sind. Es ist leider so, dass diese Dalmatinerbesitzer oftmals Schwierigkeiten haben, offen über die Krankheit ihres Hundes zu reden, und dass diese Personen nur schwer via Züchter, Rasseklubs oder Internetforen erreichbar sind.
„Wir wünschen uns eine offene und fruchtbare Zusammenarbeit mit Hundebesitzern, Hundezüchtern und Hundeliebhabern und wissen jeden Beitrag zum Erfolg dieser Studie zu schätzen.“
Hannes Lohi